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Interessante Zahlen - Übersetzung eines Artikels von Bree Bonchay.

 Ich habe einen interessanten Artikel bei Psychcentral.com entdeckt und dieser betrifft die Zahlen der Betroffenen, die unter narzisstischem Missbrauch leiden.

Die Prävalenz der narzisstischen Persönlichkeitsstörung liegt, gemäß der deutschen Fachliteratur, bei 1,5 %.
Wie ich bereits in meinem Blog schrieb, kam mir dieser Wert immer viel zu niedrig vor!
Das liegt daran, dass die wenigsten NPS`ler eine Therapie machen und die Zahlen daher statistisch nicht korrekt erfasst werden können.
Hinzu kommt, dass das wichtigste, weltweit anerkannte Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen und Todesursachen, ICD-10, auf die Revisionskonferenz der WHO im Jahr 1989 zurückgeht und die Zahlen eventuell angepasst werden müssen.
Im ICD-10 wird die narzisstische Persönlichkeitsstörung unter F60.80 „andere, spezifische Persönlichkeitsstörungen“ aufgeführt, während sie im DSM-V im Cluster B aufgelistet wird.
DSM-5 ist die Abkürzung für die 5. Auflage des „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“. Es handelt sich um das Klassifikationssystem für psychische Störungen das von der American Psychiatric Association herausgegeben wird.
In der klinischen Psychologie, sowie der medizinischen Psychiatrie gilt es, neben dem ICD-10, als Standardwerk zur Diagnose von psychischen Erkrankungen.
Im DSM-5 wird die Prävalenz eine der Störungen aus dem Cluster B zu entwickeln, mit 5,5 % angegeben.
Ich bin gespannt, was diesbezüglich im ICD-11, der am 01. Januar 2022 in Kraft tritt, vermerkt wird.
Da die Amerikaner in der Forschung zu den Persönlichkeitsstörungen sehr viel weiter sind, als wir, orientiere ich mich überwiegend an den Informationen aus den USA.
Nun aber zum Artikel:
Am 01.06.2020 ist der World Narcissistic Abuse Awareness Day und jeder, der nicht unter einem Felsen begraben lebt, kennt den Begriff Narzisst.
In der Tat ist es so, dass dieser Begriff heutzutage zu großzügig benutzt wird und seine wahre Bedeutung verwässert wird. Bereits das Posten von gelegentlichen Selfies stellt die Menschen unter Verdacht, ein Narzisst zu sein. Ironischerweise haben die meisten Menschen, trotz der Popularität des Wortes, noch nie den Begriff „narzisstischer Missbrauch“ gehört.
Narzisstischer Missbrauch ist eine Form von emotionalem und psychologischem Missbrauch.
Er wird hauptsächlich von Personen ausgeübt, die entweder eine narzisstische Persönlichkeitsstörung oder eine antisoziale Persönlichkeitsstörung haben und mit dem Fehlen eines Gewissens verbunden sind.
Sie fragen sich vielleicht, warum es so wichtig ist, ein Bewusstsein für diese Störung zu entwickeln, wenn doch die wenigsten Menschen je davon gehört haben!
Es ist leider schwierig, Statistiken über diese Form des Missbrauchs zu erhalten da es sich um ein wenig erforschtes Problem der öffentlichen Gesundheit handelt.
Wie rechtfertige ich die Notwendigkeit, das Bewusstsein für ein wichtiges Problem der öffentlichen Gesundheit zu schärfen, wenn es keine Statistiken zu seiner Verbreitung gibt?
Sandra L. Brown, Gründerin des Instituts für „Relational Harm Reduction and Public Pathology Education, beschreibt in ihrem Artikel „60 Millionen Menschen in den USA, die von der Pathologie eines Anderen negativ betroffen sind“, wie sie zu dieser erstaunlichen Zahl kam:
In den USA gibt es 304 Millionen Menschen. Einer von 25 Menschen leidet an einer Störung, die mit einem fehlenden Gewissen verbunden sind (Antisoziale Persönlichkeitsstörungen, Soziopathen, Psychopathen). 304 Millionen Menschen geteilt durch 25 = 12,16 Millionen Menschen ohne Gewissen! Jeder asoziale/Psychopath wird ungefähr 5 Partner haben, die von seiner Pathologie negativ betroffen sind = 60,8 Millionen Menschen!
Brown beschreibt weiter, dass 60 Millionen tatsächlich eine konservative Schätzung sind, da die Berechnung die Kinder, die Opfer narzisstischen Missbrauchs sind, nicht berücksichtigt. Die Schätzung berücksichtigt auch nicht den Prozentsatz der Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, von denen viele auch Andere narzisstisch missbrauchen.
Mit Brown`s Schätzungen im Hinterkopf habe ich meine eigene Berechnung erstellt.
Folgendes wissen wir:
Ungefähr jeder zehnte Mensch läuft ohne Gewissen herum oder hat bestenfalls kein Einfühlungsvermögen. Nach dem DSM-5 wird die Prävalenz für antisoziale Persönlichkeitsstörungen in der Allgemeinbevölkerung auf 3,3 und die Prävalenz für narzisstische Persönlichkeitsstörungen auf 6 % geschätzt.
In den USA leben ungefähr 326 Millionen Menschen (die US-Bevölkerung hat zugenommen), und 6 % leiden an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, was 19.560.000 Menschen entspricht. Wenn jeder dieser Menschen während seines Lebens nur fünf Menschen narzisstisch missbraucht, sind das zusätzliche 97,8 Millionen Menschen!
Sind Sie bereit, die gleiche Formel mit der aktuellen Schätzung der Weltbevölkerung von 7,5 Milliarden Menschen anzuwenden?
3,3 % von 7,5 Milliarden = 247.500.000 Menschen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung.
6,0 % von 7,5 Milliarden = 450.000.000 Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung
247.500.000 + 450.000.000 = 697.500.000 Menschen, denen es an Empathie mangelt oder die kein Gewissen haben!
Wenn jede dieser Personen während ihres Lebens nur fünf Personen narzisstisch missbraucht, sind mehr als 3,4 Milliarden Menschen von potenziellen Schäden betroffen!
Brown weist auch darauf hin, dass, wenn eine andere medizinische Erkrankung, wie Diabetes oder Herzerkrankungen, viele Menschen negativ beeinflusst, öffentliche Bekanntmachungen und Aufklärungskampagnen, auch von Prominenten, stattfinden, um das Bewusstsein dafür zu schärfen.
Im Vergleich dazu betrifft narzisstischer Missbrauch mehr Menschen, als Depressionen (ca. 80,8 Millionen Menschen) und trotzdem ist das öffentliche Bewusstsein für narzisstischen Missbrauch ebenso unsichtbar, wie die Wunden des Missbrauchten. Das wirft die Frage auf, warum narzisstischer Missbrauch nicht die öffentliche Aufmerksamkeit, Bildung und Finanzierung erhält, die er so dringend verdient.
Die Antwort könnte tatsächlich darin begründet sein, worauf ich mich zuvor bezogen habe. Narzisstischer Missbrauch ist mit bloßem Auge unsichtbar.
Im Gegensatz zu körperlicher Misshandlung hinterlässt narzisstischer Missbrauch keine sichtbaren Spuren wie Blutergüsse oder Knochenbrücke.
Das ist einer der Gründe, warum so viele Menschen, bis ein Schaden angerichtet wurde, nicht einmal erkennen, dass das, was sie erleben, eine legitime Form des Missbrauchs ist und das es einen Namen hat – narzisstischer Missbrauch!
Eine weitere, mögliche Erklärung, warum narzisstischer Missbrauch ein so wenig anerkanntes Problem der öffentlichen Gesundheit ist, besteht darin, dass die Beschreibung dessen, was Sie nicht sehen oder beweisen können, eine große Herausforderung darstellt. Daher lautet das Thema der Sensibilisierungskampagne #IfMyWoundsWereVisible. (Wenn meine Wunden sichtbar wären.)
Narzisstischer Missbrauch ist verdeckt und wird oft als Fürsorge und Liebe getarnt, obwohl es alles andere als das ist.
Es ist nicht eine einzige Grausamkeit oder ein beleidigender Kommentar, eine Reihe von Schimpfwörtern. Es ist vielmehr die heimtückische, schleichende und absichtliche Erosion des Selbstwertgefühls einer Person. Es ist eine Kombination aus emotionalem und psychologischem Missbrauch, der darauf abzielt, die Identität einer Person auszulöschen und Kontrolle, als persönlichen Gewinn, zu erhalten.
Es kann Muster von Dominanz, Manipulation, Einschüchterung, emotionalem Zwang, Unehrlichkeit, extremer Selbstsucht, Zurückhalten von Ressourcen, Schuldgefühlen, Gaslighting, extremer Eifersucht, Besessenheit, finanziellem Missbrauch und Ablehnung beinhalten.
Auch ein Partner, der Ihnen jeden Tag sagt, dass er Sie liebt, kann ein narzisstischer Missbraucher sein. Ein Elternteil, der niemals ein Softballspiel verpasst, jemand, der die Säule einer Gemeinschaft zu sein scheint, kann narzisstisch missbräuchlich sein.
Aber all die hausgemachten Abendessen, all die Liebe und Sorge für Sie, all die perfekte Teilnahme an Freizeitaktivitäten werden den schädlichen, emotionalen und mentalen Tribut nicht mindern, wenn Sie Ihre Meinung vertreten oder Kritik verüben und anschließend mit Schweigen bestraft werden. Es gibt dann missbilligende Blicke oder Kritik an den trivialsten Dingen. Es gibt die subtile aber beständige Art und Weise, damit Sie sich nicht mehr gut genug fühlen oder völlig unfähig fühlen, Ihren Täter über einen längeren Zeitraum zu erfreuen. Die Momente der Freundlichkeit oder der überraschende Blumenstrauß löschen nicht die schwindelerregenden Gespräche, die sich im Kreis drehen und Sie bis zur Unterwerfung erschöpfen. Wenn Sie narzisstisch missbraucht werden, können Sie keine abweichende Meinung äußern oder andeuten, dass Ihr Partner nicht perfekt ist oder sich falsch verhält.
Die süße Gesten machen die Dinge nicht ungeschehen, wo Ihr Mitgefühl und Ihre Liebe ausgenutzt und dazu verwendet wurden, um Sie zu manipulieren. Die netten Gesten machen das unvorhersehbare Klima, das sich von Freundlichkeit und Zärtlichkeit zu Kälte und subtiler Grausamkeit verschiebt, noch verwirrender.
Lundy Bancroft, Autor von „Why does he do that?“, liefert eine beunruhigende Beschreibung wie emotionaler Missbrauch zugefügt werden kann.
Sein Beispiel zeigt, dass auch ohne Wut, Schreien oder albernen Spitznamen großer, psychischer Schaden angerichtet werden kann:
Er (oder sie) kann seinen Partner psychisch angreifen, ohne die Stimme zu erheben. Er neigt dazu, in Streitigkeiten ruhig zu bleiben und seine eigene Gleichmütigkeit als Waffe zu benutzen, um sie zu provozieren.
Oft hat er ein überlegenes oder verächtliches Grinsen im Gesicht, selbstgefällig und selbstbewusst. Er verwendet ein Repertoire aggressiver Gesprächstechniken bei geringer Lautstärke, einschließlich Sarkasmus, Spott oder grausame, schneidende Bemerkungen.
Er neigt dazu, Dinge die sie gesagt hat, bis zur Unkenntlichkeit zu verdrehen. Er erreicht seinen Partner durch einen langsamen, aber stetigen Strom von Angriffen auf niedriger Ebene.

Der durch narzisstischen Missbrauch verursachte, emotionale Schaden ist kumulativ, was einer der Gründe ist, warum er so schwer zu lokalisieren ist. Wir sind nicht beunruhigt, wenn etwas in einem bestimmten Moment klein und harmlos erscheint. Die meisten von uns unterschreiben das Mantra: „Niemand ist perfekt.“ Wir vermuten nicht, dass wir benutzt, getäuscht oder betrogen werden. Wir unterstellen den Menschen die besten Absichten, die behaupten, uns zu lieben. Der Mangel an öffentlichem Bewusstsein und Aufklärung trägt dazu bei, dass wir nicht erkennen, dass Teile unseres Selbstwertgefühls und unserer Identität langsam ausradiert werden.

Viele Menschen, die häusliche Gewalt erlebt haben, werden Ihnen sagen, dass der emotionale und psychische Missbrauch, der für narzisstischen Missbrauch charakteristisch ist, schmerzhafter und anhaltender ist, als der Schmerz von körperlichem Missbrauch.
Als praktizierender Psychotherapeut weiß ich nur zu gut, dass es viel schwieriger ist, einen gebrochenen Geist zu heilen, als ein blaues Auge zu heilen.
Es ist schwierig genug zu beschreiben, was narzisstischer Missbrauch ist aber noch schwieriger ist es, Anteilnahme von Menschen zu bekommen, die ihn noch nicht erlebt haben. Einige fühlen sich zu schlau oder zu stark, als dass es ihnen jemals passieren könnte. Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, das nur fragile, abhängige Typen anfällig für Missbrauch sind. Leider verstärkt dieses Missverständnis die Gefahr des gegenwärtigen Mangels an öffentlichem Bewusstsein und vermittelt ein falsches Schutzgefühl.
Der durch narzisstischen Missbrauch verursachte Schaden ist nicht auf das einzelne Opfer beschränkt. Es blutet in die Gesellschaft und wirkt sich auf uns alle aus. Zahlreiche Studien warnen uns vor dem Zusammenhang zwischen emotionalem und psychischem Stress und dem damit erhöhten Krankheitsrisiko. Der chronische Stress narzisstischen Missbrauchs zermürbt unsere Körper allmählich. Die anhaltende Aktivierung der Stressreaktionssysteme des Körpers kann ihren Tribut fordern und unsere Physiologie und das allgemeine Wohlbefinden zerstören. Einige der häufigsten Krankheiten, die mit dem chronischen Stress narzisstischen Missbrauchs verbunden sind, umfassen, ohne darauf beschränkt zu sein, Herzinfarkt, Gewichtszunahme, Nebennierenermüdung, Haarausfall, Schlaflosigkeit, Angstzustände, Depressionen, Selbstmordgedanken, PTBS, Autoimmunerkrankungen, Verdauungsprobleme, Arthritis, Asthma, Migräne, Epilepsie, langsame Wundheilung, hoher Cholesterinspiegel, IBS (Reizdarmsyndrom) und erhöhte Anfälligkeit für Suchterkrankungen.

Infolgedessen werden viele Opfer krankgeschrieben und/oder wegen schlechter Arbeitsleistung entlassen. Sie sind dann gezwungen, auf Staatskosten zu leben.
Kinder, die Opfer von narzisstischem Missbrauch wurden, weisen häufig schlechte, akademische Leistungen auf und entwickeln Verhaltens-und/oder Drogenmissbrauchsprobleme.
Die finanziellen Kosten, die narzisstischer Missbrauch für die Gesellschaft mit sich bringt, würden unbestreitbar klüger und effektiver eingesetzt, wenn wir diese Mittel für die Bildung des öffentlichen Bewusstseins verwenden würden.

Quellen:
Bree Bonchay, LSCW

https://psychcentral.com/
Brown, S. L., MA. (2010, August 08). 60 Million Persons in the U.S. Negatively Affected by Someone Else’s Pathology. Retrieved April 16, 2017, from https://www.psychologytoday.com/blog/pathological-relationships/201008/60-million-people-in-the-us-negatively-affected-someone-elses
Personality Disorders. (2017). In Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (pp. 659-672). Washington DC: American Psychiatric Publishing.
Bancroft, Lundy (2003). Why Does He Do That?: Inside the Minds of Angry and Controlling Men New York: Berkey, Print.

Übersetzung: Christina Schotte

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